Ampelphase

Mit Ampeln in Bologna ist das so eine Sache: Wer daran gewöhnt ist, Rot als Stop und Grün als Go zu deuten, kommt hier nicht weit. Meist nicht einmal bis zum Mittelstreifen.
Eine deutsche Einstellung zu Verkehrsregelungen ist in Italien der kürzeste Weg ins Krankenhaus. Die ersten Tage in der Stadt sind geprägt von den Adrenalinstößen, welche den gestressten Organismus kurz vor dem Hechtsprung aus der Schusslinie einer zerbeulten Stoßstange überfluten. Kombiniert mit dem italienischen Kaffee ist der Puls etwa eine Woche lang auf dem Niveau eines Marathonläufers kurz vor der Zielgeraden. Man zittert ununterbrochen, erschrickt bei jedem Motorengeräusch und bekommt auch angesichts unbefahrener Landstraßen Schweißausbrüche von Mathe-mündlich-im-Abi-Qualität.
Dabei kann man den Italienern nicht vorwerfen, sie würden die Verkehrszeichen nicht beachten. Einbahnstraßen werden nur in der entsprechenden Richtung befahren, bei Parkzonen geht es um Millimeter, Vorfahrtszeichen werden mit euphorischem Druck auf das Gaspedal gefeiert. Es kommt auch durchaus vor, dass jemand bei einem Stoppschild, einem Vorfahrt-Achten oder eben einer roten Ampel anhält. Nur eben: nicht immer.

Wann denn, lässt sich nicht ohne Weiteres sagen. Man muss ein Gefühl dafür bekommen. Ampeln werden hier mehr als Optionen interpretiert. Ein grünes Licht heißt eben nicht

"Gehen/Fahren/Losmachen"


sondern

"So. Pass auf. Wenn du Lust hast, dann könntest du jetzt diese Kreuzung passieren. Überleg dir, wie die dich heute fühlst, wie du gelaunt bist, was deine weiteren Pläne sind. Hast du es eilig? Musst gar zu einem Termin? Oder ist das dein Bus, da vorne? Also, Junge, hör zu. Ich bleib noch ne Weile grün, dreißig Sekunden etwa. In der Zeit guckst du jetzt mal schön nach links und, wenn du schon dabei bist, nach rechts auch noch. Und dann schaust du nochmal nach links, nur sicherheitshalber. Und wenn dann immer noch niemand in Sichtweite ist, dann schätze dich sehr glücklich denn das ist selten hier. Dann heb die Arme, winke in alle Richtungen und verfalle in leichtes Jogging, während du die Straße überquerst (schön weiter nach rechts und links gucken!). Optional rate ich dir auf die letzten Meter zu einem kleinen Sprint, man kann ja nie wissen. So, Junge, jetzt haben wir uns aber ein bisschen verquatscht. Ich bin nur noch zehn Sekunden grün, sorry, mein Fehler. Tja, und was ist nun mit dir? Kommst du noch? Überlegs dir! 3...2...1..."

Das heißt hier Grün. Von Rot ganz zu schweigen.

Aber wer die ersten Tage überlebt, hört ohnehin bald auf, die Ampeln zu beachten.
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Bella Mortadella

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