Leben, hier

Mittwoch, 30. Januar 2008

Das wars dann

Morgen: Wieder nach Deutschland. Schluss mit lustig. Arbeit. Schnee. Griesgrämer. Nichtsdestotrotz: Ich komme zu Besuch. Bald. Und dann nochmal. Bis dahin: Alles Gute. Ci vediamo a Bologna.
[so schön sind hier die Postämter]
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[Na, wie viele Tauben?]
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[Kirche. Was sonst.]
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[Turm und Schatten]
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[Hat jemand Neptun gesehen?]
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Samstag, 12. Januar 2008

Der Obsthändler

Der Obsthändler hat meine Fortschritte scharf überwacht. Wir kennen uns schon seit meiner Ankunft. Ich passiere täglich seinen Stand, denn im Gegensatz zu den Busfahrzeiten (auf deren vermeintliches Geheiß ich täglich an des Obsthändlers Orangen vorbeihetze) ist seine Auslage unflexibel.
Oft, wenn ich den Bus (wieder mal) verpasst habe oder der Fahrplan (wieder mal) geändert wurde, kaufe ich ihm eine Birne ab. Anfangs: Per Zeichensprache. Inzwischen habe ich nicht nur Birnenbestellungen drauf. Ich könnte eine gemischte Obstplantage bestellen und über den Preis verhandeln, nur die Lieferungsformalia würden mich noch überfordern. Der Obsthändler hat das wohlwollend registriert.
Er selbst ist Inder, also im Italienisch-Lernen geübt. Sicher ist er schon lange hier, denn nur der Dialekt verrät ihn noch, seine Sprachkenntnisse sind denen seiner Kunden ebenbürtig.
Seit ich in Bologna bin, lerne ich Italienisch, und bald habe ich die Anfangs-Frustration überwunden. Dementsprechend unterhalten wir uns mehr, je länger ich nun bei ihm Birnen kaufe. Er ist mir sympatisch. Ich habe auch meine restlichen Einkäufe, soweit es geht, an seinen Stand verlagert (obwohl sein Gemüse leider oft der letzten Ernte in Delhi entsprungen scheint). Anfangs ließ er mich Skepsis spüren, sprach absichtlich schnell und wiederholte mit einer gerade noch höflicher Süffisanz im Ton, wenn ich ihn nicht verstanden hatte. Mit zunehmender Dauer verstand ich ihn zunehmend besser, und als ich zum ersten Mal etwas erwiderte, strahlte er kurz. "Parla bene adesso", sagte er neulich zu mir, "Sie sprechen jetzt gut", es kam wie ein Ritterschlag. Er riet mir denn auch zu den süßeren Mandarinen und gab mir extra eine Zwiebel dazu.
Effizienter als jeder Sprachpädagoge hat er meinen Lernweg mit Bonbons gepflastert (obwohl er auch strafte, wenn ich nicht schnell genug vorankam). Hatte ich neue Vokabeln gelernt, steckte er kleine Kirschen mit ins Paket (und war ich grammatikalisch auf dem selben Level geblieben, erwies sich so manche Tomate als faul). Seine Frau, die ihn Mittwoch und Sonntags vertritt, ist nur vermeintlich sanfter als er. Mit gütigem Lächeln packt sie mir das Gewünschte zusammen und unterhält sich langsam und verständlich mit mir über das Wetter, bis sie plötzlich die Augen verengt und schnell und vernuschelt eine Frage zum Studium oder zur letzten Bürgermeisterwahl stellt. Antworte ich gut (was ich anfangs nicht tat), gibt es wieder Lächeln und vielleicht ein indisches Soßenrezept. Antworte ich schlecht, knüllt sie die Obsttüte abfällig zusammen (und oft reißt das Ding wie von Zauberhand eine Kreuzung weiter auf).
Ich habe meinen Obsthändler lieb gewonnen. Anfangs, als ich noch niemanden kannte, grüßte ich brav alle Verkäufer der Straße (und meine Straße zum Bus hat recht viele davon). Inzwischen nicke ich den meisten nur zu (das soll nicht hochtrabend sein, ich bin ja in Eile), meinen Obsthändler aber grüße ich laut und vernehmlich, und laut und vernehmlich grüßt er zurück. Das letzte Mal, als ich bei ihm war, erzählte er mir die Geschichte, wie er hierher kam. Dass er vorher in Neapel und Genua verkaufte. Dann seine Frau kennenlernte. Dass sie in einer Wohnung am anderen Ende der Stadt leben. Nun in die Nähe ziehen wollen. Ich nickte und sagte etwas über die schöne Gegend, da sah er mich scharf an. "Dieselbe Geschichte habe ich dir schon am Anfang erzählt", sagte er, "vor ein paar Monaten. Da hast du nur genickt und verlegen auf die Zuchchini gezeigt." Einen Moment war ich erstarrt. Dann lachte er, ich lachte auch, wir lachten einige Zeit und ich winkte zum Abschied. Ich glaube, der Obsthändler ist zufrieden mit mir.

Fast-schon-wieder-Frühlings-Licht

Da ist man nun zurück in Bologna,
hat sich diesmal vorsorglich eine Kamera geliehen,
um Italienisches endlich bildlich einzufangen,
etc.,
hat sich bereits über das miserable Wetter geärgert
(dabei scheint in München vereinzelt schon Sonne!)
und ist, regengerüstet, zu einem zweistündigen Stadtbummel aufgebrochen,
inklusive verschiedener Erledigungen,
der einen schon nach Minuten durchnässt und durchfroren macht,
als
auf einmal
der Himmel aufklart, ein zart verwaschenes Blau die schwarzen Wolken beiseite drückt, weiches fast-schon-wieder-Frühlings-Licht schräg auf die Stadt fällt, Backsteinmauern erglühen und Autodächer erschimmern lässt, goldrote Schweife an den Horizont malt, den großen Turm und Wahrzeichen scharf und schräg in Schatten- und Leuchthälfte schneidet, es nichtsdestotrotz weiterregnet und infolgedessen ein gigantischer Regenbogen am Fuße eben jenen Turmes entspringt, der sich in klaren, leuchtenden Farbstreifen über die Stadt bis zum Bahnhofsgebäude spannt, seine berückend einfache Eleganz wie gnädigen Nebel auf allen architektonischen Pomp des Marktplatzes legt, auf den Kinderhände zeigen, den Passantenaugen, selbst souveräne, bewundernd auf- und abfahren, der noch dem größten Zyniker (entschuldige j., der musste) Tränen in die sarkastisch verengten Augenschlitze gezwungen hätte,
und dann hat man die Kamera zuhause vergessen.
Und kann wieder nur erzählen.
Dumm!

Freitag, 14. Dezember 2007

Klopapier

Eigentlich kein Thema für Freitagnachmittage, eigentlich gar kein Thema, aber was soll man machen. Ich habs mir nicht ausgesucht: In Bologna gibts kein Klopapier mehr.
Seit vorgestern: Besuch in 3 verschiedenen Supermärkten, nein, in 3 (!) Supermärkten (!!) ohne Klopapier. Nun muss ich welches kaufen, ich habe Badputzdienst und sehe seit Tagen die Mitbewohnergesichter, die vorwurfsvoll aus dem Bad kommen, jeden Tag sehen sie etwas vorwurfsvoller aus, Gruppendruck bekommt eine neue Bedeutung bei uns (entschuldigung). Geht das so weiter, kommen bald nur noch Mitbewohnergesichter aus dem Bad und die Körper kommen später nach, weil sie doch etwas schwer geworden sind, nein: das geht zu weit (entschuldigung!).
Aber wir brauchen Klopapier.
Deshalb besuchte ich gerade den Super-Supermarkt, den größten, besten, den, der Baked Beans hat (nicht, dass ich sie bräuchte, aber für Italien ist das was). Dort suchte ich, suchte mit wachsender Verzweiflung, Mitbewohnergesichter vor dem geistigen Auge, suchte zehn Minuten lang und fand nichts. Also fragte ich die Verkäuferin, schlug vorher noch Klopapier im Wörterbuch nach (sehr schön, aber auch nicht für Freitagnachmittage: Rotoli igienica finissima), schlug also nach und fragte, entschuldigung, Klopapier, haben sie welches? Die Verkäuferin sah mich an. Was ich wolle. Dreilagig, vierlagig, besonders weich, es gäbe auch eine Billigmarke. Ich sagte, egal. Sie sagte, was denn nun. Ich sagte, na gut, sagte ich: Billigmarke. Sie fragte wieder, dreilagig, vierlagig, vierlagig sagte ich, ich dachte, wenn schon denn schon. Die Verkäuferin entfernte sich.
Nach zwei Minuten kam sie wieder, sie sah mich an: Klopapier sei leider aus, nur Küchentücher gäbe es noch. Ja, sagte ich, die hätte ich gesehen. Die Mitbewohnergesichter wurden größer und vorwurfsvoller, nein: größer (!) und vorwurfsvoller (!!), ich fragte, ob sie sicher sei. Sie sagte ja, ganz sicher, das dreilagige sei alle, das vierlagige auch. Ich dankte und ging.
Auf dem Heimweg fand ich einen Obstladen, der auch Spülmittel verkaufte. Im Lager fand der Inhaber noch eine Packung zu vier Rollen für mich. Ich zahlte zwei Euro und bekam eine Apfelsine dazu.
Als ich nachhause kam, war das Bad besetzt.

Donnerstag, 6. Dezember 2007

Die 2 Torri

Jede Stadt baut sich ein Wahrzeichen, manche bauen viele und lassen die Wahl. Bologna baute zwei und war sich bei beiden nicht so sicher: Die Türme sind schief. Dafür direkt im Stadtzentrum. Die wichtigsten Straßen gehen davon aus, die wichtigsten Leute stehen wartend davor, gestern stürmte eine Polizeieinheit den einen, um nach Drogen zu suchen. Ihre Neigung ist zwar nicht Pisa-verdächtig (und ich betone, dass ich mir mindestens drei Pisa-Neigungs-Witze im Bezug auf die Lernkurve deutscher Schüler spare), aber sichtlich un-gerade sind sie doch. Der eine, der noch-un-geraderere (wir sind prägnant heute), ist kleiner als der weniger-un-geraderere (und wir sind es gern), weswegen man ihn leicht übersieht. Den anderen, den großen also, sieht man von überall. Fast überall. Zumindest meine Seite der Stadt läuft in einer breiten Straße auf ihn zu, ich muss zwei Meter vor die Tür gehen und sehe ihn monumental in den Horizont ragen. Was die Illusion hervorruft, man könne hinlaufen. Kann man zwar, aber es ist ein halber Tagesmarsch und führt an einer Verkehrsader entlang, deren Feinstaubwert dreimal über dem erlaubten Maximum liegt (weswegen in Bologna das Gasmasken-business boomt und im Januar eine Woche die Autos ruhen). Er sieht ein wenig wachturmig, auch leuchtturmig aus, der Turm, und nun ist er mit Lichtern geschmückt, wie überhaupt alles auf einmal mit Lichtern geschmückt ist. Weihnachten scheint hier prinizipiell eine Frage der Beleuchtung zu sein, die ganze Stadt ist nun Lichter-behängt, allenthalben fallen sie herunter und erdrosseln arglose Passanten durch ihre Verbindungskabel, aber ansonsten ist die Stimmung feierlich. Auch Glocken läuten nun ständig, aber das wollte ich eigentlich gar nicht erzählen. Erzählen wollte ich vielleicht, dass die beiden Türme die letzten Überreste von ehemals sehr vielen Türmen waren, sogenannten Geschlechtertürmen, die sich wichtige Familien leisteten und von denen Bologna entsprechend übersät war. Dann kam der Weltkrieg, geblieben sind nur zwei, davon wenigstens der größte, der erwähnte, der weniger-un-geraderere, immerhin einmal höchstes Gebäude der Welt. Fiele er um, und die Chancen stehen nicht schlecht, fiele er also in die Neigungsrichtung, erschlüge er das kulturelle Zentrum der Stadt und begrübe die besten Nachtclubs unter sich. Angeblich aber steht er sicher und man lehnt sich an ihn, hockt auf seinen Stufen oder kauft im Gift-Shop darunter Bücher, man weiß nicht recht, warum Bücher, aber die gibt es eben da. Was mich daran erinnert, dass ich nun eine Buchhandlung kenne, die Sonntags (!) Nachts um zwei (!!) noch geöffnet hat. Um diese Zeit kann man sonst höchstens noch Drogen oder Fahrräder kaufen, beide gibt es hier im Überfluss, aber auch das wollte ich eigentlich nicht erzählen. Was ich eigentlich erzählen wollte, hängt mit den beiden Türmen zusammen, ist aber im Nachhinein betrachtet irgendwie unwichtig. Hinaufgehen darf man übrigens nicht, alter Aberglaube, tut man es vor Beendigung des Studiums, beendet man das Studium nicht. Von dort oben hat man einen fantastischen Blick, so wird erzählt, er erstrecke sich über die Stadt, über die Hügel, über alles eigentlich. Schön soll es sein und ich ärgere mich, dass man mir den Aberglauben gleich bei Ankunft erzählte, sonst wäre ich vielleicht nichtsahnend hinaufgestiegen und nun um eine Angst reicher, die ich sowieso ständig habe, dafür auch um eine schöne Aussicht. Schön sehen die Türme natürlich auch von unten aus, aber so bleiben sie eben Mahnmal, Denkmal, Halt-mal-den-Rucksack-ich-mach-schnell-ein-Photo, wie ein Kollege sagen würde, dabei ist Bologna gar nicht mal so touristisch. Aber es dreht sich eben alles um die zwei Türme, das Leben hier, der Verkehr, dieser Beitrag auch. Was wollte ich nochmal erzählen?

Störts dich, wenn ich nicht rauche?

3 gute Gründe, in Italien Nichtraucher zu bleiben:
-Zigaretten sind auch hier unverschämt teuer.
-Rauchen ist auch hier nicht gesund.
-Schnorrer gibt es mehr als sonstwo.

3 gute Gründe, in Italien Semi-Raucher zu werden:
-Zum Rauchen muss man vor die Tür gehen. Alle gehen vor die Tür. Die Party ist vor der Tür.
-Leute sprechen einen an, sie fragen nach Zigaretten, man hat welche. Man kommt ins Gespräch.
-Der Dopamin-kick beflügelt das Sprachzentrum. Man lernt die Sprache in Zigaretteneinheiten. Ein Milligram Nikotin begünstigt zehn Vokabeln.

3 gute Gründe, in Italien wieder Raucher zu werden:
-Ganz so teuer sind die Zigaretten doch nicht.
-Es ist noch verbotener als zuhause.
-Raucht man wieder, fragt einen niemand mehr nach der neuen Frisur.

Mittwoch, 21. November 2007

Bella Bologna

Bologna hatte Stadtmauern. Die sind abgerissen, schon lang, zugunsten einer Schnellstraße. Trotzdem spricht noch jeder davon: Man befindet sich hier stets innerhalb oder außerhalb der Mauern, und wenn man neu ist, weiß man oft nicht, ob man sich in guter Verfassung befindet, weil man die Mauern nicht sieht, von denen ständig alle reden.

Die "Mauern" schließen den Stadtkern ein, und damit alle Wichtigkeiten der Gegend. Ein bisschen so, als hätte man Sehenswürdiges in eine Schlinge drapiert und dann kräftig zugezogen: Im Zentrum drängeln sich spektakuläre Plätze und Museen.
Was es dort nicht gibt, ist Grün (stattdessen Rot, aber das erwähnte ich schon einmal).

Wenn man nun, wie ich, einige Wochen etwas deprimiert durch die Gassen schlich, weil man das Gefühl nicht los wurde, ohne Bäume fehle etwas (u.a. frische Luft), dann kam man zwangsläufig irgendwann auf die Idee, es mal ein bisschen außerhalb zu versuchen.

Und siehe da.

Seit Wochen spaziere ich, wann immer sich Zeit findet, an den "Mauern" entlang - es ist phantastisch. Alle Bäume, für die im Zentrum kein Platz mehr war, haben sich aus Protest vor die Stadttore gestellt und bilden dort wunderbare Alleen. Kleine Parkanlagen wechseln sich mit Fußballplätzen und botanischen Gärten ab. Es kann passieren, dass man um die Ecke biegt und plötzlich in einem Denkmalgärtchen steht. Der Widmungsträger ist ein italienischer Dichter der Jahrhundertwende und steinern in Gärtchenmitte verewigt. Seinen Namen habe ich vergessen, aber er sitzt auf einem Schemel und ist umringt von Gestalten aus seinen Werken, die rechts und links die Hände nach ihm strecken. Zwar ist das Bild ein wenig gruselig (und ich musste noch eine Stunde darüber nachdenken, wie ein solches Denkmal für Stephen King aussähe). Die Idee aber ist nett und das Beispiel nur eines von vielen: Ständig trifft man abseits des üblichen Italo-Tourie-Sensations-Gedöns auf wirklich schöne Kleinode der vor-neuzeitlichen Städteplanung.

Wenn man sich noch weiter vom Stadtkern entfernt, sieht man das Ende der Siedlung in hügelige Landschaft ausfransen. Ein who-is-who mediterraner Vegetation erstreckt sich im Umland, momentan verschwindet das immer noch satte Grün zusehends im Nebel, und nur wenige Häuser sind an den Hängen erkennbar, Villen zumeist, die aus der Ferne scheinen, als dürfe man sie nur in Toga und Sandalen betreten.

Ach, es ist schön.

Das wollte ich gerade mal erzählen.

Keine Kohle

Der italienische Student zahlt für ein Semester an seiner Hochschule übrigens knapp 1000 Euro. Wenigstens in Bologna ist das so. Dafür bekommt er Vorlesungen von Mitte Oktober bis Mitte Dezember. Kann allerdings passieren, dass sein Institut spontan 2 Wochen Ferien macht, wie meines gerade.

Glücklicherweise darf der Normalo-Erasmusianer gratis in alle Kurse (und dort mit der monitären Oberschicht Norditaliens Notizen machen). Allerdings erwartet Bologna ein ähnliches Salär zum Lebensunterhalt: Wohnraum gibts kaum unter 500 Euro, wenn man mit Dach schlafen will. Dazu kommt Essen, optimalerweise täglich. Die Preise dafür variieren, billiger als "1-Euro-teurer-als-in-Deutschland" wird es allerdings kaum. Vorausgesetzt man geht nicht in eines der diversen Lokale: Dann pendelt sich das Niveau zwischen "3-Euro-teurer-als-in-Deutschland" und "Bloody-hell-wer-kann-das-kaufen?!" ein.

Die Folge ist, dass meine monatlichen Schweißausbrüche und how-to-survive-Kalkulationen deutlich früher einsetzen als gewohnt. Zuhause wurde das Geld stets gegen den 27sten knapp, und es folgten einige Tage, die ich in der Wohnung verbrachte, von wo ich alte Bekannte anrief, die ich wohlhabend, großzügig und satt wähnte, und sie fragte, wie die lage in ihrem kühlschrank sei. Ansonsten schichtete ich die verbliebenen Centstücke zu einer Pyramide in der Zimmermitte auf und achtete peinlich genau darauf, dass das Bauwerk nicht schrumpfte (gern zählte ich vor dem Schlafengehen noch zwei-, dreimal nach).

Hier fangen meine Hände schon um den 20sten an, zu zittern, wenn ich nach dem Geldbeutel greife. Den ersten Monat lebte ich leichtsinnigerweise meinen Standard weiter, weswegen ich nun beinahe allen Familienmitgliedern größere Beträge schulde und das Repertoire an panischen Schick-mir-was-ich-hab-nix-zu-essen-Anrufen fürs erste gespielt ist. Der stahlharte Sparkurs der ersten Novembertage löste sich in diversen, bierseeligen Leichtsinnigkeiten auf (wer schon einmal betrunken neben einer unfassbar teuren, angeknabberten Riesensalami aufgewacht ist, weiß, dass man sich über so etwas ärgern kann).

Nun hat mich die finanzielle Wirklichkeit wieder und der Gürtel wird die nächsten Tage ungewohnt eng geschnallt. Einzige Hoffnung ist noch, einen der vielen reichen Schnösel, mit denen ich mich in den Literaturkursen langweile, anzupumpen oder im Haarwasser- und Weichspülerimperium seines Vaters als Kartonstapler anzufangen. Nur ist Arbeit finden hier auch nicht leicht, denn man braucht eine Meldebestätigung, für die man wiederum einen Einkommensnachweis braucht, der einen Einkommensnachweis der Eltern mit einschließt, was wiederum eine gesundheitliche Untersuchung der ganzen Familie voraussetzt, wofür man einen Nachmittag bräuchte, der schlussendlich niemandem so recht zur Verfügung steht und schon gar nicht allen auf einmal.

Also lebe ich illegal und arm in Italien, und bis ein Mäzen endlich auf den grandiosen Gedanken gekommen ist, jemandem wie mir allein schon aus Prinzip ein monatliches Stipendium zuzusprechen, werde ich so etwas wie eine Auberginen-Diät erfinden, denn Auberginen habe ich noch nie so viel gegessen wie hier, Auberginen sind hier ungewöhnlich billig.

Mittwoch, 14. November 2007

Gestern

übrigens, lief ich eine Straße entlang, auf einmal gehindert von einer roten Absperrung. Die ist man hier nun gewohnt, denn ständig kann etwas einstürzen, ständig wird etwas renoviert, und täglich geht man also andere Wege zum selben Ziel.
Gestern aber stürzte nichts ein und es wurde nichts daran gehindert, stattdessen drehte man einen Film. Meine Buslinie kreuzend war das Set aufgebaut, viele wichtige Menschen wuselten herum, ein weißhaariger Regisseur saß auf einem nachtschwarzen Hocker und ich schien der einzige zu sein, der angesichts derart monumentaler Ereignisse überlegte, wie er denn nun nachhause käme.
Dass man hier Filme dreht, scheint öfter vorzukommen, so hört man immer wieder. Von einer Bekannten erfuhr ich die nette Anekdote, ihr Mitbewohner sei einst, von Lärm aufgeschreckt, vor die Tür gegangen. Er wollte sich gerade beschweren, da rannte ihm eine aufgebrachte Menge entgegen, hinter ihr, die Ursache des Lärms, ein Panzer. Von Panik mitgerissen schloss sich der Mitbewohner der Menge an, schrie und rannte in Todesangst, spurtete panisch zur nächsten Ecke. Natürlich handelte es sich um einen Film, in Wirklichkeit. Aber man schnitt ihn später nicht heraus, weil sein Schrei so lebensecht geklungen habe.
Gestern wurde keine Kriegsszene gedreht, stattdessen muss es ein Historienfilm gewesen sein, beurteilt nach der Kleidung der Akteure. Sie trugen Hut und Anzug oder Kleid und Perücke, die Szene lief ohne Dialog: Ein Paar ging an einem anderen Paar vorbei und drehte sich nach ihm um. Das wurde etwa fünfzehn Mal gedreht, unterbrochen von zehnminütigen Pausen, der Regisseur sagte die Zeit über nichts und man kam schließlich darauf, dass das Problem an der Schminke der Hauptdarstellerin lag, und verordnete eine Maskenpause.
Ich entschloss mich für einen großräumigen Umweg. Später hörte ich noch, es habe sich bis Abends hingezogen, wegen Schwierigkeiten bei der Beleuchtung.

Ganz leise Busbeschwerde

Und dann steht man wieder an der Haltestelle, und inzwischen ist es ja auch schon ziemlich kalt hier, und man hat ja aufgehört mit dem Rauchen, und daher hat man dann ja nichts zu tun, und alle anderen rauchen ja noch, aber der Bus kommt ja trotzdem nicht, und wärmer wird es ja auch nicht, und da steht man dann ja da und ärgert sich.

Und dann kommt der Bus endlich.
Und der Busfahrer öffnet.
Und man steigt ein.

Und dann darf man keine Unmutsäußerung von sich geben, denn jede Unmutsäußerung versteht der Bolognese leider als Kritik an seiner Arbeitsweise,
und jede Kritik an seiner Arbeitsweise versteht der Bolognese leider als persönliche Beleidigung,
und für jede persönliche Beleidigung schneidet einem der Bolognese leider die Nase ab,
und wer mich kennt,
der weiß,
das gefiele mir nicht.
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Bella Mortadella

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