Samstag, 12. Januar 2008

Der Obsthändler

Der Obsthändler hat meine Fortschritte scharf überwacht. Wir kennen uns schon seit meiner Ankunft. Ich passiere täglich seinen Stand, denn im Gegensatz zu den Busfahrzeiten (auf deren vermeintliches Geheiß ich täglich an des Obsthändlers Orangen vorbeihetze) ist seine Auslage unflexibel.
Oft, wenn ich den Bus (wieder mal) verpasst habe oder der Fahrplan (wieder mal) geändert wurde, kaufe ich ihm eine Birne ab. Anfangs: Per Zeichensprache. Inzwischen habe ich nicht nur Birnenbestellungen drauf. Ich könnte eine gemischte Obstplantage bestellen und über den Preis verhandeln, nur die Lieferungsformalia würden mich noch überfordern. Der Obsthändler hat das wohlwollend registriert.
Er selbst ist Inder, also im Italienisch-Lernen geübt. Sicher ist er schon lange hier, denn nur der Dialekt verrät ihn noch, seine Sprachkenntnisse sind denen seiner Kunden ebenbürtig.
Seit ich in Bologna bin, lerne ich Italienisch, und bald habe ich die Anfangs-Frustration überwunden. Dementsprechend unterhalten wir uns mehr, je länger ich nun bei ihm Birnen kaufe. Er ist mir sympatisch. Ich habe auch meine restlichen Einkäufe, soweit es geht, an seinen Stand verlagert (obwohl sein Gemüse leider oft der letzten Ernte in Delhi entsprungen scheint). Anfangs ließ er mich Skepsis spüren, sprach absichtlich schnell und wiederholte mit einer gerade noch höflicher Süffisanz im Ton, wenn ich ihn nicht verstanden hatte. Mit zunehmender Dauer verstand ich ihn zunehmend besser, und als ich zum ersten Mal etwas erwiderte, strahlte er kurz. "Parla bene adesso", sagte er neulich zu mir, "Sie sprechen jetzt gut", es kam wie ein Ritterschlag. Er riet mir denn auch zu den süßeren Mandarinen und gab mir extra eine Zwiebel dazu.
Effizienter als jeder Sprachpädagoge hat er meinen Lernweg mit Bonbons gepflastert (obwohl er auch strafte, wenn ich nicht schnell genug vorankam). Hatte ich neue Vokabeln gelernt, steckte er kleine Kirschen mit ins Paket (und war ich grammatikalisch auf dem selben Level geblieben, erwies sich so manche Tomate als faul). Seine Frau, die ihn Mittwoch und Sonntags vertritt, ist nur vermeintlich sanfter als er. Mit gütigem Lächeln packt sie mir das Gewünschte zusammen und unterhält sich langsam und verständlich mit mir über das Wetter, bis sie plötzlich die Augen verengt und schnell und vernuschelt eine Frage zum Studium oder zur letzten Bürgermeisterwahl stellt. Antworte ich gut (was ich anfangs nicht tat), gibt es wieder Lächeln und vielleicht ein indisches Soßenrezept. Antworte ich schlecht, knüllt sie die Obsttüte abfällig zusammen (und oft reißt das Ding wie von Zauberhand eine Kreuzung weiter auf).
Ich habe meinen Obsthändler lieb gewonnen. Anfangs, als ich noch niemanden kannte, grüßte ich brav alle Verkäufer der Straße (und meine Straße zum Bus hat recht viele davon). Inzwischen nicke ich den meisten nur zu (das soll nicht hochtrabend sein, ich bin ja in Eile), meinen Obsthändler aber grüße ich laut und vernehmlich, und laut und vernehmlich grüßt er zurück. Das letzte Mal, als ich bei ihm war, erzählte er mir die Geschichte, wie er hierher kam. Dass er vorher in Neapel und Genua verkaufte. Dann seine Frau kennenlernte. Dass sie in einer Wohnung am anderen Ende der Stadt leben. Nun in die Nähe ziehen wollen. Ich nickte und sagte etwas über die schöne Gegend, da sah er mich scharf an. "Dieselbe Geschichte habe ich dir schon am Anfang erzählt", sagte er, "vor ein paar Monaten. Da hast du nur genickt und verlegen auf die Zuchchini gezeigt." Einen Moment war ich erstarrt. Dann lachte er, ich lachte auch, wir lachten einige Zeit und ich winkte zum Abschied. Ich glaube, der Obsthändler ist zufrieden mit mir.

Fast-schon-wieder-Frühlings-Licht

Da ist man nun zurück in Bologna,
hat sich diesmal vorsorglich eine Kamera geliehen,
um Italienisches endlich bildlich einzufangen,
etc.,
hat sich bereits über das miserable Wetter geärgert
(dabei scheint in München vereinzelt schon Sonne!)
und ist, regengerüstet, zu einem zweistündigen Stadtbummel aufgebrochen,
inklusive verschiedener Erledigungen,
der einen schon nach Minuten durchnässt und durchfroren macht,
als
auf einmal
der Himmel aufklart, ein zart verwaschenes Blau die schwarzen Wolken beiseite drückt, weiches fast-schon-wieder-Frühlings-Licht schräg auf die Stadt fällt, Backsteinmauern erglühen und Autodächer erschimmern lässt, goldrote Schweife an den Horizont malt, den großen Turm und Wahrzeichen scharf und schräg in Schatten- und Leuchthälfte schneidet, es nichtsdestotrotz weiterregnet und infolgedessen ein gigantischer Regenbogen am Fuße eben jenen Turmes entspringt, der sich in klaren, leuchtenden Farbstreifen über die Stadt bis zum Bahnhofsgebäude spannt, seine berückend einfache Eleganz wie gnädigen Nebel auf allen architektonischen Pomp des Marktplatzes legt, auf den Kinderhände zeigen, den Passantenaugen, selbst souveräne, bewundernd auf- und abfahren, der noch dem größten Zyniker (entschuldige j., der musste) Tränen in die sarkastisch verengten Augenschlitze gezwungen hätte,
und dann hat man die Kamera zuhause vergessen.
Und kann wieder nur erzählen.
Dumm!
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