Mittwoch, 14. November 2007

Gestern

übrigens, lief ich eine Straße entlang, auf einmal gehindert von einer roten Absperrung. Die ist man hier nun gewohnt, denn ständig kann etwas einstürzen, ständig wird etwas renoviert, und täglich geht man also andere Wege zum selben Ziel.
Gestern aber stürzte nichts ein und es wurde nichts daran gehindert, stattdessen drehte man einen Film. Meine Buslinie kreuzend war das Set aufgebaut, viele wichtige Menschen wuselten herum, ein weißhaariger Regisseur saß auf einem nachtschwarzen Hocker und ich schien der einzige zu sein, der angesichts derart monumentaler Ereignisse überlegte, wie er denn nun nachhause käme.
Dass man hier Filme dreht, scheint öfter vorzukommen, so hört man immer wieder. Von einer Bekannten erfuhr ich die nette Anekdote, ihr Mitbewohner sei einst, von Lärm aufgeschreckt, vor die Tür gegangen. Er wollte sich gerade beschweren, da rannte ihm eine aufgebrachte Menge entgegen, hinter ihr, die Ursache des Lärms, ein Panzer. Von Panik mitgerissen schloss sich der Mitbewohner der Menge an, schrie und rannte in Todesangst, spurtete panisch zur nächsten Ecke. Natürlich handelte es sich um einen Film, in Wirklichkeit. Aber man schnitt ihn später nicht heraus, weil sein Schrei so lebensecht geklungen habe.
Gestern wurde keine Kriegsszene gedreht, stattdessen muss es ein Historienfilm gewesen sein, beurteilt nach der Kleidung der Akteure. Sie trugen Hut und Anzug oder Kleid und Perücke, die Szene lief ohne Dialog: Ein Paar ging an einem anderen Paar vorbei und drehte sich nach ihm um. Das wurde etwa fünfzehn Mal gedreht, unterbrochen von zehnminütigen Pausen, der Regisseur sagte die Zeit über nichts und man kam schließlich darauf, dass das Problem an der Schminke der Hauptdarstellerin lag, und verordnete eine Maskenpause.
Ich entschloss mich für einen großräumigen Umweg. Später hörte ich noch, es habe sich bis Abends hingezogen, wegen Schwierigkeiten bei der Beleuchtung.

zur Not rot

Man sagt auch "la Rossa" zu Bologna, und davon abgesehen, dass jede größere italienische Stadt unter fünf Spitznamen gar nicht erst die Tore öffnet, macht "die Rote" durchaus Sinn: Alles ist rot hier. Zumindest sind es die Dinge, die nicht von Natur aus andere Farben haben.
Ursprünglich kommt der Name von roten Ziegeln auf den Häusern. Was paradox ist, die sind nun auch woanders rot. Was außerhalb Bolognas nicht unbedingt für die Häuser selbst gilt: Läuft man die Hauptstraße hinauf, ergibt sich eine Facettenwanderung entlang an mehr Rottönen, als man Namen dafür hat (und man kann sich kaum einen ausdenken, weil schon der nächste unbekannte Ton ins Auge sticht). Die Palette reicht vom feinen Sandsteinrot der Mauern (an die sich niemand lehnt, weil man instinktiv annimmt, sie würden abfärben) über das grelle Tomatenrot der Villen (das bei Sonnenuntergang auf unerklärliche Weise ein enorm dekadentes Leuchten erzeugt) bis zum satten Burgunderrot der Bushaltestellen. Rot sind auch: Die Busse selbst, die Zeitungsständer, die Postkästen, die Telefonzellen, die Kioske, die Standuhren, die Logos der Supermärkte, die stärkste politische Gruppierung, der Boden der größten Kirche, die Wände der berühmtesten Kapelle, der Marmor auf allen Altären, der Großteil des Bürgersteigs und mit einem zugedrückten Auge auch die Stadtwurst. Alles ist rot in Bologna, und hätte nicht Uwe Timm bereits ein deprimierend gutes Buch über die Farbe und ihre Folgen geschrieben, man käme an dem Thema spätestens hier nicht mehr vorbei.
So kommt man auch nicht dran vorbei, aber man denkt sich dabei nicht mehr viel. Höchstens, dass Bologna u.a. auch "die Gelehrte" und "die Fette" heißt, und man dankbar dafür sein sollte, dass nie jemand auf die Idee kam, alle Spitznamen in einem Maskottchen zu vereinen, denn das wäre dann ja auch nicht zu übersehen gewesen.

Ganz leise Busbeschwerde

Und dann steht man wieder an der Haltestelle, und inzwischen ist es ja auch schon ziemlich kalt hier, und man hat ja aufgehört mit dem Rauchen, und daher hat man dann ja nichts zu tun, und alle anderen rauchen ja noch, aber der Bus kommt ja trotzdem nicht, und wärmer wird es ja auch nicht, und da steht man dann ja da und ärgert sich.

Und dann kommt der Bus endlich.
Und der Busfahrer öffnet.
Und man steigt ein.

Und dann darf man keine Unmutsäußerung von sich geben, denn jede Unmutsäußerung versteht der Bolognese leider als Kritik an seiner Arbeitsweise,
und jede Kritik an seiner Arbeitsweise versteht der Bolognese leider als persönliche Beleidigung,
und für jede persönliche Beleidigung schneidet einem der Bolognese leider die Nase ab,
und wer mich kennt,
der weiß,
das gefiele mir nicht.
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Bella Mortadella

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